Die Tigerfrau
Die Tigerfrau ist der Debütroman der 27jährigen Tea Obreht, die mit ihrer Familie auf Grund des Kosovokrieges nach Amerika geflohen ist. Es ist ein wortgewaltiges Buch Buch, sprachlich äußerst gelungen, umso erstaunlicher, wenn man das Alter der Autorin bedenkt.
Die Ich-Erzählerin Natalia ist eine junge Ärztin und im krisengeschüttelten Südosteuropa unterwegs, um in einem Waisenhaus Kinder zu impfen.
Dort überrascht sie die Nachricht vom Tod ihres Großvaters, welcher ein bedeutender Arzt war. Natalia begibt sich auf die Wege seiner Vergangenheit und erinnert sich an die vielen ungewöhnlichen Geschichten, die ihr Großvater ihr im Laufe seines Lebens immer wieder erzählt hat. So begegnen wir in langen Rückblenden immer wieder dem Mann, der nicht sterben konnte. Er versucht wirklich alles Mögliche, beschwert seinen Körper mit Steinen und wirft sich in einen tiefen See, aber er ertrinkt nicht. Stunden später steigt er aus dem Wasser, als wäre nichts geschehen.
Wir erfahren die Geschichte der Tigerfrau, einer wunderschönen, jungen Taubstummen, die während der Kriegswirren einem entflohenen Tiger Obdach gewährt und so das ganze Dorf, in dem ihr Großvater aufgewachsen ist, gegen sich aufbringt.
Bei aller Poesie vergisst Tea Obreht niemals das vom Krieg versehrte Land und den zähen Überlebenswillen der Menschen. Die Tigerfrau ist eine Mixtur aus Realismus und slawischen Volksmärchen, ein hinreißender Roman über die Toten, die uns Lebenden ihre Geschichten hinterlassen. Aus diesem Grunde ist dieser Roman in diesem Jahr mein ganz persönlicher Favorit, denn uns gehen auch in unseren eigenen Familien viel zu viel solcher Geschichten verloren.